| Schritt 1: Abbau und Transport des Skelettes nach Münster
Nach 97 Jahren zum ersten Mal ans Tageslicht
Artikel und Fotos von Ralf Engel (Iserlohner Kreisanzeiger 18.1.2002)
Hemer. Erstmals in nahezu 100 Jahren hat Hemers Höhlenbär das Tageslicht erblickt, allerdings musste er
zuvor Rippen, Schenkel und einige Knochen mehr abgeben. Aufwendig wird der Bär in den nächsten Monaten restauriert.
Immerhin hat er 20000 Jahre auf den Knochen.
Als die Familie Meise zu Beginn des vorigen Jahrhunderts mit dem Ausräumen der Heinrichshöhle begann,
stieß sie auf zahlreiche Knochen. Mit dem Bodenaushub wurden mehrere hundert Knochenteile ans Tageslicht befördert.
Schnell ward daraus die Idee geboren, ein Skelett als Touristenattraktion zusammenzubauen.
So schrieb Karl Meise
an seinen Bruder Heinrich: "Ich halte das für nicht so schwierig, als das man das nicht selbst machen könnte."
Die Ablichtung eines Höhlenbären aus der Zeitschrift "Weltall und Menschheit" fügte er bei. Verschiedensten Museen wurden
außerdem Knochen angeboten. So gibt es im Stadtarchiv eine umfangreiche Korrespondenz sogar nach Belgien und England.
Das British-Museum in London antwortete, das man bereits Knochen aus Sundwig habe. Auch das königlich
mineralogisch-geologische Museum Dresden konnte bereits 1850 auf ein Bärenskelett aus Hemer zurückgreifen.
Es hatte die Knochen von "Sammel-Sack" erworben. Mit der königlich geologischen Landesanstalt und Bergakademie
in Berlin wurde man sich schließlich einig.
Der Sundwiger "Kuhhandel": Es werden zwei Skelette gebaut und eines verbleibt in Berlin. Kistenweise wurden die Knochen
nach Berlin geschickt. Immer wieder kam von dort der Appell, möglichst alle Funde zu schicken, damit der Bär
originalgetreu werde. Am 8. Juni 1905 kam das 2,20 Meter lange und 1,10 Meter hohe Bärenskelett in Sundwig im
Saale Meise an und begeisterte die Besucher. Trotz der Warnungen der Bergakadamie, ihn wegen des frischen Leims
nicht in der Höhle aufzustellen, kam er später in die Unterwelt, wo fortan der Zahn der Zeit kräftig nagte.
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Sorgenvoll blickte Höhle und Karst in den vergangenen Jahren auf das Skelett. "Irgendwann lösen sich die Rippen
und der Kopf fällt runter", befürchtete Michael Landwehr. In der Nordrhein-Westfalen-Stiftung für Naturschutz,
Heimat- und Kulturpflege fand sich schließlich ein Sponsor für die mehrere tausend Mark teure Restaurierung.
Gestern rückten die Fachleute vom Westfälischen Museum für Naturkunde an, um den Bären zu zerlegen und nach
Münster zu transportieren. Für Restaurator Michael Böckmann hatte Hemers rund 20000 Jahre alter Bär bereits ein
kritisches Stadium erreicht. Die Verbindungsdrähte waren verrostet, manche Zehen zerfallen. Offenbar hatten vor
100 Jahren die Knochen nicht ganz gereicht. Manches fehlende Stück wurde durch Gips ersetzt, der nun durch die
Feuchtigkeit zerfällt. "Ich kenne kein Skelett, das wirklich komplett ist", so der Präparator. Kunstharz wird
heutzutage für Ersatzabdrücke genommen.
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Ohne Nummerierung der Einzelstücke wanderten die Knochen gestern in die
Kisten. Mit dem Zusammenpuzzlen von rund 300 Teilen haben die Fachleute keine Probleme. Nur Wirbelsäule und Schädel
blieben am Stück. Erste Aufgabe in Münster wird es sein, die Knochen von der damals benutzten Mixtur aus Honig,
Knochenleim und Lack zu befreien. Dann werde sich zeigen, was wirklich original sei, so Michael Ludorf:
"Überraschungen kommen, wenn man mit der Arbeit beginnt." Wenn der Höhlenbär in zwei bis drei Monaten wieder die
Rückreise nach Hemer antritt, dann wird er in jedem Fall eine neue anatomisch korrekte Körperhaltung haben.
Das bisherige Ausstellungsstück deutete eher auf einen Bandscheibenvorfall hin. Bis zur feierlichen Rückkehr
sucht Höhle und Karst noch Sponsoren für ein neues Bärenhaus: Eine neue Glasvitrine möglichst mit Entfeuchter muss
her, damit der Bär weitere 100 Jahre übersteht. |
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